La Linea am Naschmarkt von Christine Pillhofer
„Als künstlerisch tätiger Mensch, nimmt man sehr viel völlig unbewusst wahr und speichert es ab. Bei der eigenen Tätigkeit kommt es dann irgendwann einmal zum Vorschein."
Die Bildhauerin Christine Pillhofer betreibt seit 40 Jahren eine Künstlerwerkstatt und hat dadurch zahlreiche spannende Objekte in ihrer Privatsammlung. Praktischerweise befindet sich das Atelier in unmittelbarer Nähe vom Naschmarkt, wo die Künstlerin jeden Samstag ihre Inspiration zwischen den „Allerleien“ am berühmten Wiener Flohmarkt findet. Aus den dort gekauften Sachen – von Eisenwaren bis zum Tierskelettschädel – stellt sie ihre eigenen Kunstwerke zusammen. „Ich fange dann im Atelier an, aus allen Teilen, die herumliegen, zu komponieren und zu schauen, was sich ergibt“, erklärt Frau Pillhofer ihre Arbeitsweise. Das vorgestellte Objekt hat sie zuerst als weiteres Bauteil gekauft, aber zu Hause ist es für sie doch zu etwas Besonderem geworden: Die unspektakuläre Zange erinnerte Frau Pillhofer an eine Figur aus ihrem Lieblingszeichentricksfilm aus dem Jahr 1972. „Diese Form ist haargenau die Grundform von „La Linea“, behauptet die Bildhauerin. Wäre der Regisseur Osvaldo Cavandoli noch am Leben, hätte sie ihn gern gefragt, ob er seine Erfindung von diesem alten Werkzeug abgeschaut hatte. „Als künstlerisch tätiger Mensch, nimmt man sehr viel völlig unbewusst wahr und speichert es ab. Bei der eigenen Tätigkeit kommt es dann irgendwann einmal zum Vorschein“.
Die Assoziationsreihe mit diesem Objekt nimmt hier noch kein Ende. Die Zwinge als tragendes Element des Objekts erinnert Frau Pillhofer an „tratschende Naschmarktweiber“ und an eine Zeit, als sie noch bei den Pfadfindern war, und in einem Theaterstück eben so ein „keifendes Naschmarktweib“ gespielt hat. Beide Erinnerungen finden sich in „La Linea plappert am Naschmarkt“ wider.
Der Befestigungswinkel der Zange an der Zwinge ist von besonderer Wichtigkeit. Das Kunstwerk bekommt so eine besondere Dynamik und Spannung „Mein gesamtes Werk zeichnet sich durch eine außergewöhnliche Dynamik aus […]. Warum ich ein Gefühl für Dynamik und Spannung habe, ergibt sich aus meiner Biographie, weil ich Tänzerin und Musikerin werden wollte. Darum habe ich betont, dass es nicht egal ist, in welchem Winkel die Figur steht“, begründet die Künstlerin die präzise Position des Objekts. Vergrößert man den Winkel, verliert „La Linea“ die Verbindung mit dem „keifenden Naschmarktweib“. Trotz ihrer großen Sammlung hat Christine Pillhofer für unser Projekt genau dieses Objekt mitgebracht. Ästhetik haben alle ihre Werke, aber so eine besondere Geschichte nur dieses. „Ich bin eine Künstlerin, die sich nicht – außer es ist ein Wettbewerb oder Auftrag – vorsätzlich Inhalten und Themen stellt“. Tatsächlich steht auf ihrer Webseite „Meine Kunst ist absichtslos“. In unserer Sammlung jedoch, beginnen die Objekte zu sprechen.