Hutnadelkästchen von N.N.
"Unsere Liebe ist voll erblüht, lass sie für immer blühen. Dann, meine Liebe, werde ich der Glücklichste auf der Welt sein."
Andreas* Objekt ist ein Hutnadelkästchen, das ihr Großvater väterlicherseits ihrer Großmutter 1906 zur Verlobung geschenkt hat. Ihre Großeltern waren Tschechen und haben sich in Wien kennengelernt. Andreas Großvater war Glas-Graveur und hat in das Hutnadelkästchen Blumen, ein Herz, die Initialen ihrer Großmutter „K.“ und „Ch.“, sowie die Worte „Zur Erinnerung 1906“ eingraviert. Auf der Rückseite ist ein Spruch auf Tschechisch eingraviert: „Unsere Liebe ist voll erblüht, lass sie für immer blühen. Dann, meine Liebe, werde ich der Glücklichste auf der Welt sein.“
Das Hutnadelkästchen hat Fächer, in die früher rote Samtpölster zum Einstecken von Hutnadeln eingelegt waren. Diese sind im Laufe der Zeit verloren gegangen und wurden von Andreas Mutter mit beigem Stoff ersetzt.
Andreas Großmutter ist kaum ohne Hut oder Kopftuch aus dem Haus gegangen - nicht nur weil das modisch war und sie sehr viel Wert auf ein ordentliches Äußeres gelegt hat, sondern auch weil sie Probleme mit den Ohren hatte. Damit der Hut nicht vom Kopf geweht wurde, wurde durch den Hut eine Nadel gesteckt.
Die Großmutter war Dienstmädchen, und die Familie lebte sehr bescheiden. Als ihre Großeltern 1908 geheiratet haben, war ihre Großmutter 21 Jahre alt. Sie hatten einen Sohn, Andreas Vater. Damit ihr Sohn Arzt werden konnte, haben die beiden sehr viel gespart. Das Kästchen ist für Andrea ein Symbol dafür, dass sie und ihr Leben auf der Vergangenheit fußen. Weil ihre Großeltern bescheiden gelebt haben, damit ihr Sohn studieren kann, hat auch Andreas heute eine relativ gesicherte Existenz.
Das Hutnadelkästchen ist für Andrea auch mit Weiblichkeit verbunden, da es aufgrund der Funktionalität ein typisch weibliches Objekt ist und von Frau zu Frau weitergegeben wurde. Damals hatten alle Frauen lange Haare. Erst in den 20er Jahren hat sich dies verändert, und ihre Mutter und ihre Großmutter mütterlicherseits haben sich sofort die Haare schneiden lassen, als dies gesellschaftlich akzeptiert war.
Als ihre Großmutter väterlicherseits 1975 gestorben ist, hat Andrea das Kästchen an sich genommen. Andrea denkt mittlerweile, sie hat ihre Oma viel zu wenig über ihre Geschichte befragt. Mit dem Kästchen bewahrt sie die Erinnerung an ihre Großeltern und daran, was sie ihren Ahnen zu verdanken hat.
*Name von der Redaktion geändert