Holzvogel von Anna Voggeneder
„Er hat sich aufgedrängt, weil die Sachen ihn überdauert haben.“
Anna Voggeneders Familie besitzt mehr als hundert Holzvögel, die zumeist auf einem gedrechselten Holzstück sitzen und dafür gedacht sind, an der Wand befestigt zu werden. Hergestellt wurden sie alle von Annas Urgroßvater, der als Dachdecker im Winter genug Zeit hatte, sie zu schnitzen. Er ist bereits 1958 verstorben, seine Schnitzereien haben ihn aber überdauert. Annas Mutter versorgte sie zwar immer wieder mit Erzählungen über die Vergangenheit der Familie, doch ein richtiges Bild der Menschen konnte sie sich selten machen. So fragt sie sich, ob sie nach weiterem Wissen und Erkenntnissen suchen soll oder ob es nicht der natürliche Lauf der Zeit sei, dass die Erinnerungen an frühere Generationen langsam verblassen. Sie findet es jedenfalls faszinierend, einen Urgroßvater gehabt zu haben, der sich mit der Schnitzerei beschäftigt und damit seine Kreativität ausgelebt hatte. Neben den Vögeln hat er auch Spielsachen wie Holzpferde und Leiterwägen sowie Spinnräder gefertigt. Aus den Erzählungen kann man jedoch schließen, dass er ein eher jähzorniger Mann gewesen sein muss, was sich für Anna mit seiner Vorliebe, Spielzeug und Ziergegenstände herzustellen, nur schwer in Einklang bringen lässt.
Die letzte Schachtel mit Holzvögeln teilte ihre Mutter unter den Verwandten auf, womit diese zum Familienandenken aller wurden. Die Objekte erinnern Anna an eine Zeit, in der die Familie in sehr bescheidenen ländlichen Verhältnissen abgeschieden, aber sehr idyllisch im Mühlviertel in Oberösterreich lebte. Man versuchte, die Notwendigkeiten des alltäglichen Lebens selbst herzustellen und damit auch noch ein wenig Geld zu verdienen. So waren die Vögel nicht nur als Dekoration für das Eigenheim gedacht, sondern wurden auch im Gemischtwarenhandel im Nachbardorf verkauft.
Im Kontext der damals üblichen engen Familienstrukturen findet Anna die Vorstellung, dass jemand massenhaft Vögel geschnitzt hat, sehr interessant.