Afrika südlich der Sahara
Die Sammlung umfasst ca. 37.000 Objekte und reflektiert die kulturelle Vielfalt Afrikas vom Sahelraum bis zur Südspitze des Kontinentes, vom islamischen Senegal im Westen bis zum christlichen Äthiopien und zur Insel Madagaskar im Osten. Zu den Highlights der Sammlung gehören die herausragenden Bronzen und Elfenbeinarbeiten aus dem Königreich Benin, afro-portugiesische Elfenbeinschnitzereien aus dem 16. Jahrhundert und die umfangreiche Ostafrikasammlung.
Die Objekte dokumentieren Herrschaftstraditionen wie des Königreichs Benin im heutigen Nigeria, des Königreichs Bamum im Kameruner Grasland und des äthiopischen Kaiserreichs. Sie berichten aber auch vom Alltag, von Wirtschaftsformen, Glaubensvorstellungen und dem Kunstschaffen vieler Bevölkerungsgruppen des Kontinentes.
Die meisten Objekte sind vor 1918 in das Museum gelangt und repräsentieren daher historische Realitäten. Sie erzählen dabei nicht nur von vergangenen afrikanischen Lebenswelten, sondern auch von ihrem Transfer nach Europa im Kontext der kolonialen Aneignung des Kontinents.
Die Geschichte der Sammlung
Erste Objekte aus Afrika
Die frühesten nach Österreich gelangten Objekte aus Afrika waren seit 1596 in der Kunstkammer von Schloss Ambras dokumentiert und gelangten 1880/81 in die ethnographische Sammlung des k.k. Naturhistorischen Museums. Es handelt sich hier um feine sogenannte afro-portugiesische Elfenbeinschnitzereien, die im 16. Jahrhundert in Sierra Leone und an der Beninküste für den europäischen Markt hergestellt wurden.
Königreich Benin
Den bekanntesten Teil des Sammlungsbestandes bilden die Bronzen und Elfenbeinarbeiten aus dem Königreich Benin. Die herausragenden Kunstwerke sind Produkte einer höfischen Kultur und waren Privileg der herrschenden Klasse. Die Blüte des Reiches und der Benin-Kunst lag im 16. und 17. Jahrhundert. Seit dem späten 15. Jahrhundert hatte das Reich Benin intensive Handelsbeziehungen mit Europäern, anfänglich mit Portugiesen, dann mit Engländern, Niederländern und Franzosen. Nach der Zerstörung der Hauptstadt des westafrikanischen Reiches durch britische Truppen im Jahre 1897 wurden die Kunstschätze über die ganze Welt verstreut. Der damalige Kustos der ethnographischen Abteilung, Franz Heger, erkannte die Bedeutung der Werke und engagierte sich dafür, einige Stücke für die Wiener Sammlung zu erwerben. Es gelang ihm, Mäzene aus dem reichen Bürgertum und der Aristokratie für den Ankauf einer repräsentativen Sammlung von sogenannten „Benin-Altertümern" zu gewinnen.
„Entdeckungsreisen" im 19. Jahrhundert
Der größte Teil des Afrika-Bestandes des Weltmuseums Wien gelangte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in die damalige ethnographische Sammlung, dies entspricht dem Zeitraum der sogenannten „Entdeckungsreisen" in Afrika und der Kolonialisierung. Obwohl Österreich-Ungarn selbst keine Kolonialmacht war, gab es doch Bürger der k.k. Monarchie, die in unterschiedlichsten Missionen teilweise für nicht-österreichische Auftraggeber nach Afrika reisten. Österreicher arbeiteten als Verwaltungsbeamte für den ägyptischen Sudan, andere waren in unterschiedlichen Funktionen für den Kongostaat unter dem belgischen König Leopold tätig oder für die deutsche Kolonialverwaltung in Ostafrika. Manche waren im diplomatischen Dienst für die Donaumonarchie in Afrika situiert, andere einfach nur privat als Geschäftsleute oder Abenteurer unterwegs. Kustos Franz Heger bemühte sich, von diesen in Afrika tätigen Österreichern ethnographische Gegenstände zu erwerben, und animierte sie, Sammlungen für das Museum anzulegen. Vom Umfang her nicht so bedeutend, aber zeithistorisch interessant sind die Sammlungen der k.k. Kriegsmarine, die die Landaufenthalte auf ihren Übungsfahrten nutzte, um für die heimischen Museen Material zu erwerben. Insgesamt wurden 215 Sammlungen afrikanischer Gegenstände zwischen 1862 und 1910 im Inventar der ethnographischen Abteilung registriert. Die meisten Sammlungsgegenstände stammen aus dem Kongo, dem südöstlichen Sudan und Ostafrika, eine geringere Zahl aus Süd- und Westafrika.
Schwerpunkt Kongo
Objekte aus dem Kongogebiet bilden einen wichtigen Komplex der Afrika-Sammlung. Einen bedeutenden Teil, ca. 660 Inventarnummern, erhielt sie als Ergebnis der Österreichischen Kongo-Expedition (1885-1886) von Oskar Lenz und Oscar Baumann. Weitere wichtige Sammlungen stammen von Janko Mikich (Mikic), einem kroatischen k.u.k. Leutnant, der von 1882 (?) bis 1885 für die „Association Internationale pour L'Exploration et la Civilisation de L'Afrique Centrale" im Kongogebiet tätig war, und Franz Thonner, einem wohlhabenden „Privatgelehrten", der zwei Reisen (1896 und 1909) in das nördliche Gebiet der Kongo-Kolonie durchführte. Auch Josef Chavanne, ein österreichischer Wissenschaftler, der zuerst 1884 geographische Untersuchungen für das belgische Geographie-Institut durchführte und 1885 schließlich eine Plantage für ein belgisches Handelshaus anlegte, ließ dem Museum umfangreiche Sammlungen zukommen. Einige signifikante Einzelstücke wurden vom Deutschen Leo Frobenius und dem lange im Kongo tätigen Ungarn Emil Torday erworben, der mit dem Britischen Museum kooperierte und in dessen Auftrag gezielte ethnographische Forschungen durchführte und Sammlungen anlegte. Wertvolle Objekte, die in Frankreich bereits auf Kolonialausstellungen gezeigt worden waren, wurden auch von einem Funktionär des französischen Marineministeriums gestiftet. Die hier genannten Österreicher bewegten sich im Kongo zu einem Zeitpunkt, als das gesamte Territorium bereits von den Einwirkungen des intensiven Handels mit Europäern und den ersten kolonialen Bestrebungen geprägt war.
Südafrika
Emil Holub ist sicherlich die leuchtendste Figur unter jenen Sammlern, denen wir frühe Bestände aus Südafrika verdanken. Der Mediziner Emil Holub betrat 1872 zum ersten Mal südafrikanischen Boden und war bis 1879 als Arzt in den Diamantenfeldern bei Kimberley stationiert. Von Kimberley aus unternahm er mehrere Forschungsreisen in den noch unabhängigen Norden zu den Thlaping, Kora, Rolong, Ngwato und ins Lozi-Reich (bei Holub „Marutse-Mabunda") im Bereich des heutigen Zambia. Bei einem zweiten Südafrika-Aufenthalt von 1883 bis 1887 gelangte Holub durch das Lozi-Reich zu den Tonga und den Ila („Maschukulumbe").
Neben Holub brachten weitere Privatpersonen, die aus beruflichen Gründen das Land am Kap aufsuchten, Objekte mit. Von den meisten wissen wir, abgesehen vom Namen, sehr wenig. Rudolf Malcher, ein gebürtiger Mähre, war 1862 nach King William‘s Town in Südafrika ausgewandert und gründete dort eine Handelsfirma. Nach 23 Jahren kehrte er 1885 nach Österreich zurück; seine umfangreiche Zulu-Sammlung gelangte 1971 über seine Nachkommen ins Museum.
Ostafrika
Die Ostafrikabestände stammen von frühen „Forschungsreisenden" wie Oscar Baumann oder „Entdeckern" wie Ludwig von Höhnel, der mit dem ungarischen Grafen Samuel Teleki als erste Europäer den Rudolf-See (heute Turkana-See) und den inzwischen vertrockneten Stephanie-See erreichte und nach Mitgliedern des österreichischen Königshauses benannte. Auch Handelstreibende und Missionare wie Günther Säuberlich legten umfangreiche Sammlungen an.
1888 unternahm Oscar Baumann als Begleiter und Topograph des deutschen Forschungsreisenden Hans Meyer eine Expedition ins deutsche Schutzgebiet, um Usambara, die nordöstliche Region Tanzanias, zu erforschen und den Kilimanjaro zu besteigen. Die Expedition musste abgebrochen werden, da sie von einem Aufstand gegen die deutschen Kolonisten überrascht wurde und beide Reisenden in Gefangenschaft gerieten. Um die geographische Erforschung zu vollenden, unternahm Baumann 1889-90 im Auftrag der deutsch-ostafrikanischen Gesellschaft im Alleingang nochmals eine Expedition nach Usambara und von 1891-93 eine weitere im Auftrag des Deutschen Antisklaverei-Komitees bis nach Mwanza an den Viktoria-See und nach Ruanda. Alfred Sigl, ein gebürtiger Österreicher (geb. 1854 in Wien, verstorben 1905 in Weimar), von dem das Museum insgesamt 1.800 Sammlungsstücke besitzt, trat 1887 in den Dienst der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft ein und wirkte bis 1900 in unterschiedlichen Funktionen der Kolonialverwaltung.
Sudan
Die ersten Kontakte des ägyptischen Sudan zu Österreich ergaben sich 1835, als der Pascha Ägyptens Mehmed Ali österreichische Bergbauexperten in den Sudan einlud. 1850 bewilligte Kaiser Franz Joseph die Errichtung eines österreichischen Konsulats in Khartoum. Mehrere am Konsulat wirkende Österreicher trugen während ihres Aufenthaltes naturhistorische oder ethnographische Sammlungen zusammen. Die Sammlungen der ersten beiden Konsularbeamten Konstantin Reitz und Josef Natterer gehören zu den ältesten Afrikabeständen des Museums. Weitere Bestände stammen von Martin Hansal (1823-1885), dem Zoologen Ernst Marno (1844-1883) und einige Einzelstücke von Freiherr Rudolf Carl von Slatin, dem bekanntesten unter den österreichischen Sudanreisenden. Auch einige Missionare, die ab der Mitte des 19. Jahrhunderts in den Sudan gelangt waren und sich der Christianisierung im Süden sowie der Bekämpfung des Sklavenhandels widmen sollten, brachten Sammlungen mit. Der Maler Richard Buchta war im Sudan als Zeichner und Photograph tätig und begleitete den deutschen Gouverneur von Äquatoria, Emin Pascha, auf mehreren Expeditionen, unter anderem ins Königreich Bunyoro (Uganda) und in das Siedlungsgebiet der Azande, und brachte Sammlungsgegenstände mit.
20. Jahrhundert
Im 20. Jahrhundert waren es vor allem österreichische Wissenschaftler, die während ihrer Feldforschungen in Afrika für das Museum sammelten. Zu nennen sind hier vor allem Rudolf Pöch, der 1907-08 in die Kalahari Südafrikas reiste, oder Pater Paul Schebesta, der im Auftrag von Pater Wilhelm Schmidt 1934/35 im Ituri-Gebiet des Kongo forschte. In den 1960-70er Jahren führte Annemarie Schweeger-Hefel, die damalige Leiterin der Afrika-Abteilung, langjährige Forschungen zum Maskenwesen und der Kunst im Norden Burkina Fasos bei den Kurumba durch und legte eine herausragende Sammlung an.
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