Josef Troll: Sammeln zwischen Tourismus und Kolonialismus

Die Sammeltätigkeit des Wiener Rechtsanwalts Josef Troll, über den viele Objekte ins Weltmuseum Wien gelangt sind, ist umstritten. Troll selbst war ein Reisender, der sich an der Grenze zwischen Tourismus und Forschungsreise bewegte. Seine Reisen und Erwerbungen bilden ein interessantes Beispiel für das Sammeln im Schatten des Kolonialismus.

Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Gebiet zwischen Indien, Iran und China unter der Herrschaft von Großbritannien und Russland aufgeteilt. Russland erweiterte zwischen 1885 und 1888 die Transkaspische Eisenbahn bis Samarkand, wovon Handel und Tourismus in Zentralasien profitierten. 1888 begab sich Troll als Privatreisender nach Zentralasien, für ihn war es die Dritte von vier Asienreisen, die er zwischen 1884 und 1892 unternahm. Er fuhr durch die russischen Provinzen im heutigen Turkmenistan und Usbekistan, nach Merw, Buchara, Samarkand, Tashkent, ins Ferganatal, ins chinesische Grenzgebiet nach Kashgar in Xinjiang und über Bombay zurück nach Europa. Überwiegend reiste Troll mit Eisenbahn und Postkutsche. Er bewegte sich in den russischen Kolonialgebieten und durchfuhr Zentralasien im Komfort eines Touristen – und unter Nutzung der kolonialen Infrastruktur.

Troll versuchte den von ihm bereisten Raum in Sammlungen abzubilden und sprachliche und ethnische Mosaik, das er vorfand in Kategorien aufzuteilen. Dafür trug er Fotografien, Antiquitäten, Alltagsgegenstände und Pflanzen zusammen. Unter anderem sammelte er Stücke bei den Teke-Turkmenen und tadschikisches Kunsthandwerk und versuchte, die  Unterschiede, die er wahrnahm, durch Sammlungsobjekte zu kontrastieren. Zu diesem Zweck führte er auch Schädelmessungen durch und versuchte die sozialen Gruppen unter anderem nach rassistischen Kriterien zu erfassen.

Als Verweis auf eine historische europäische Eroberung wollte Troll mittels antiker Stücke Bezüge zu Alexander dem Großen herstellen. Objekte aus islamischen Reichen, wie den Timuriden, sollten als Beleg eines kulturellen Niedergangs dienen.

Auf seiner Reise erwarb er zahlreiche Antiquitäten, wie historische Fliesen und Keramikfragmente. Diese Stücke entnahm Troll ohne Genehmigung aus den Ausgrabungsstätten in Merw und Samarkand, wo russische Archäologen bereits Grabungen durchführten, oder brach die Stücke von Gebäuden und Friedhöfen ab.

Heute stehen umfassende Auswertungen und Kontextualisierungen von Troll und seinen Reisen sowie den Gegenständen der daraus entstandenen Sammlung noch aus.  

 

Zum Weiterlesen:

Elisabeth Öfner, Josef Troll – seine Reise nach Russisch-Turkestan 1888/89 und seine Widerspiegelung im schriftlichen Nachlass und den Sammlungen des Museums für Völkerkunde in Wien, Diplomarbeit Universität Wien, Fakultät für Sozialwissenschaften, 2011. URL: othes.univie.ac.at/13522/ (15.12.2021)

Svetlana Gorschenin, The Private Collections of Russian Turkestan: Second Half of the 19th and Early 20th Century, Berlin 2004

 

Tobias Mörike, Jonathan Fine

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